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Autoimmun-Erkrankungen aus Sicht der Umweltmedizin

Warum der Schutz unserer Grenzflächen so wichtig ist: Klaus-Dietrich Runow, Wolfhagen, im raum&zeit-Interview mit Angelika Fischer, Wolfratshausen

Scheinbar banale Unverträglichkeiten oder Ernährungsfehler sollen eine Autoimmun-Erkrankung wie Hashimoto, Rheuma oder Multiple Sklerose auslösen können? Durchaus, wie Klaus-Dietrich Runow, Gründer des Umweltinstitutes IFU, anhand über 35-jähriger Praxiserfahrung und Recherchen eindrücklich aufzeigt. Im Interview erläutert er die komplexen Zusammenhänge.

raum&zeit: Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit dem Thema Autoimmunerkrankungen – als Arzt in Ihrem Institut und als Wissenschaftler, der immer den neuesten Forschungsstand verfolgt. Was sind Ihrer Meinung nach, die Hauptursachen für Autoimmunerkrankungen?

Klaus-Dietrich Runow: Ja, diese Frage bekomme ich sehr häufig gestellt. Ich führe als Antwort immer sechs Punkte auf. Punkt eins ist das Leaky Gut Syndrom, also die erhöhte Durchlässigkeit des Darms. An zweiter Stelle Gluten und Nahrungsmittelallergien; drittens mikrobiologische Fehlbesiedelung im Darm (Dysbiose), viertens Entzündungen, fünftens Umweltgifte und Medikamente und sechstens Stress, psychischer Stress. Die genannten Punkte sind oft miteinander verwoben, aber so stellt sich nach meinen Erfahrungen die Hierarchie der Ursachen dar.

Autoimmunerkrankungen sind meist Barrierestörungen

r&z: Wie ist der Weg des Körpers in eine Autoimmunkrankheit?

K.-D. R.: Bei vielen chronischen Erkrankungen – dazu gehören die Autoimmunerkrankungen – sind Barrierestörungen beteiligt. Die Haut ist eine Barriere, ebenso die Schleimhäute im Darm; auch die Lunge mit ihren Schleimhäuten. Wenn solche Barrieren nicht mehr intakt sind, kann das der Anfang einer Autoimmunerkrankung sein. Fremdproteine dringen ins Blut und das ruft die Immunzellen auf den Plan. Diese haben die Aufgabe, körperfremde Proteine abzuwehren. Unsere Abwehrzellen wissen nicht, ob es sich da um eine Krebszelle, einen Covid-19-Virus oder ein Fremdprotein aus der Nahrung handelt wie zum Beispiel von einem Bio-Hühnchen. Die Abwehrzellen müssen ihren Job machen und können erst zur Ruhe kommen, wenn diese Lücke wieder geschlossen wird. Da fängt der Prozess an!

r&z: Wie sieht eine solche Barrierestörung konkret aus?

K.-D. R.: Das Immunsystem wehrt sich gegen Umweltfaktoren über die Bildung von Antikörpern. Es gibt Antikörper, die man im Blut findet und solche, die wir auf unseren Schleimhäuten finden wie beispielsweise das sekretorische Immunglobulin A, abgekürzt s-IgA. Es bildet auf Schleimhäuten, also auf den Grenzflächen zur Umwelt, die erste Antikörper-Abwehrfront. Bei unseren Patienten führen wir routinemäßig Stuhlund Verdauungsanalysen durch. 70 Prozent der Proben unserer Patienten zeigen einen Mangel an s-IgA.
Ein Kollege aus Arizona, Dr. Vojdani, hat in diesem Zusammenhang ein schönes Bild entworfen. Die Antikörper stehen in Form von ypsilonartigen Molekülen auf einem Sockel und breiten die Arme aus, um Feinde zu fangen wie Bakterien, Viren, etc. Bei einem Mangel an sekretorischem IgA ist nur jeder zweite Sockel besetzt. Der Sockel ist wie ein Mäuerchen. Wenn der Sockel unzureichend besetzt ist, können Teile aus dem Darm in den Blutkreislauf dringen. Das können Bakterien sein oder Lebensmittelrückstände. Auch Eiweißbausteine aus der BioKost finden ihren Weg durch diese Kanälchen in den Blutkreislauf und lösen schließlich Immunreaktionen aus. Das heißt, auch biologische Nahrungsmittel stehen grundsätzlich im Verdacht, eine Autoimmunkrankheit mit auszulösen oder zu verstärken.

r&z: Und dann kann ein Leaky Gut-Syndrom entstehen?

K.-D. R.: Ein Mangel an s-IgA bewirkt eine erhöhte Durchlässigkeit der Schleimhäute (Leaky Gut). Andere Gründe, die ein Leaky Gut begünstigen, sind zum Beispiel eine bakterielle Fehlbesiedelung (Dysbiose) oder unverdaute Nahrungsmittel wie unter anderem Gluten. Die Darmzelle ist nach Glutenkontakt irritiert und schüttet Zonulin aus, das ist ein Signalstoff, der sagt „Achtung Feind.“ Dann werden die Tight Junctions, die Verbindungen zwischen den Darmzellen, gelockert. Man kann sie wie Kaugummi sehen, der gedehnt wird. Dann haben Sie das, was man Leaky Gut nennt. Zonulin ist ein Marker für Leaky Gut. Ist das Zonulin im Blut oder Stuhl erhöht, ist dies ein Hinweis auf ein Leaky Gut, eine Voraussetzung für Autoimmunerkrankungen.

r&z: Sie können also mit diesen speziellen Messungen feststellen, ob es Probleme an Darmschleimhäuten gibt. Lässt dies auch Rückschlüsse auf andere Schleimhäute zu?

K.-D. R.: Ja, wenn ich in der Stuhlprobe niedrige sIgAWerte messe, weiß ich: alle Schleimhäute sind anfällig, also auch die Schleimhäute in Mund, Augen, Lunge, Vagina etc. Also alle Grenzflächen sind gefährdet.
Chemikalien, Schwermetalle, Unverträgliches

r&z: Welche Ursachen können hinter einem Mangel an s-IgA stehen?

K.-D. R.: Das kann Stress sein, das können auch Antibiotika sein, Chemikalien, Schwermetalle, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, bakterielle Fehlbesiedelung, Pilzbesiedelung.

r&z: Können Sie diese Zusammenhänge bei einem Patienten erkennen?

K.-D. R.: Ja, man kann mittels Blut-, Urinund Haaranalysen eine Schadstoffbelastung überprüfen. Aber oft sind diese schon aus dem Körper verschwunden und lassen sich nicht mehr nachweisen. Das Autoimmungesche-hen ist aber trotzdem noch in vollem Gange. Für diesen Fall gibt es spezielle Tests. Ich erkläre das mal anhand einer Belastung durch Schwermetalle oder Weichmacher in Kunststoffen. Diese verändern meine eigenen Zelle an der Oberfläche, sodass sogenannte Neoantigene entstehen. Das heißt, das Immunsystem wird in die Irre geführt, es denkt: „Was ist denn das für eine Zelle? Die kenne ich ja gar nicht, die ist ja verändert!“ Es löst dann, angeregt durch die veränderte Oberflächenstruktur, einen immunologischen Abwehrprozess aus. So kommt es zum Angriff auf eigene Zellstrukturen. Diesen Vorgang bezeichnen wir als Autoimmunreaktion.
Wir können dann über Antikörpertests nachweisen, ob die Chemikalien die Ursache waren. Wenn zum Beispiel Blei oder Quecksilber mit einer Körperzelle von mir ein Neoantigen bildet, dann bildet der Körper Antikörper nicht gegen Blei oder Quecksilber, sondern gegen BleiRunow oder Quecksilber-Runow und das können wir messen. Das ist ein ganz neuer Ansatz, chronische Krankheiten zu verstehen.

r&z: Hängen aus Ihrer Sicht Autoimmunerkrankungen immer mit diesen Prozessen rund um das sekretorische Immunglobulin A an den Schleimhäuten zusammen?

K.-D. R.: Es ist die Hauptursache, aber es gibt auch andere Faktoren. Zum Beispiel wenn Sie Titanmaterialien oder andere Implantate in den Körper bekommen, können sich Neoantigene in den Blutgefäßen oder anderen Stellen des Körpers bilden, wo ebenfalls solche Prozesse losgetreten werden können. Auch durch Impfungen kann so etwas passieren.
Kollateralschaden statt Angriff gegen sich selbst

r&z: Wie geht es dann weiter, wenn Grenzflächen ihre Barrierefunktion nicht mehr leisten können. Wie entwickelt sich dann zum Beispiel Hashimoto?

K.-D. R.: Ja, das ist interessant. Wenn Grenzflächen, die uns vor Umweltfaktoren schützen sollten, kaputt sind, dringt etwas in den Blutkreislauf, das eigentlich nicht dorthin gelangen sollte. Es kommt zum Kontakt von Umweltfaktoren mit Immunzellen im Blutkreislauf. Umweltfaktor Nummer eins beim Darm sind Lebensmittel oder auch Bakterien. Gegen diese schießt dann das Immunsystem. Es bildet Antikörper, um diese Feinde abzuwehren und dann passiert ein Kollateralschaden: Diese Antikörper passen auch auf Strukturen meines körpereigenen Gewebes. Man weiß zum Beispiel, dass bei Hashimoto insbesondere bestimmte Darmbakterien, Yersinien, gefunden werden. Citrobakteroder Klebsiellastämme dagegen sind mit der rheumatoiden Arthritis assoziiert. Das nennt man Antigen-Kreuz-Reaktivität. In der Militärsprache heißt das dann Kollateralschäden, das heißt, es werden Zivilisten getötet, obwohl man eigentlich Feinde bekämpfen wollte.

r&z: Heißt das, dass der Körper eigentlich nicht absichtlich sich selbst angreift, wie Autoimmunerkrankungen ja sonst dargestellt werden, sondern dass diese Angriffe eben gewissermaßen Begleiterscheinungen sind?

K.-D. R.: Richtig! Schädliche Einflüsse von außen wie Umweltchemikalien machen etwas kaputt, woraufhin ganz natürliche Abwehrvorgänge im Körper in Gang kommen, die dummerweise auch den Körper selbst angreifen.

Ursache weg – Symptome weg

r&z: Wie können diese Prozesse wieder zur Ruhe gebracht werden?

K.-D. R.: Wenn Sie Gelenkschmerzen haben und ich finde in der Stuhlanalyse? Klebsiellaund Citrobacterstämme, dann versuche ich, diese aus dem Darm zu eliminieren. Zunächst setze ich in solchen Fällen pflanzliche Wirkstoffe ein, da ich nur ungern Antibiotika verabreiche. Man kann zunächst mithilfe einer biologischen Darmtherapie versuchen, diese Keime zu eliminieren. Wenn dies gelingt, hat das Immunsystem keinen Grund mehr zu reagieren. Das Autoimmungeschehen geht zurück und die Gelenkschmerzen verschwinden.

r&z: Haben Sie das in Ihrer Praxis schon oft erlebt, dass auch bei schweren chronischen Autoimmunerkrankungen das Geschehen durch so eine sanfte Behandlung gestoppt werden kann?

K.-D. R.: Aber klar, wenn die Ursache beseitigt ist, hören die Beschwerden auf. Wenn die Bakterien weg sind, der Körper entgiftet ist oder problematische Lebensmittel gestrichen werden, kann das Entzündungsgeschehen abklingen. Bei Weizenproteinen, also Gluten, ist es im Prinzip genauso wie ich es vorhin erklärt habe. Wenn die Darmschleimhaut nicht mehr intakt ist und unverdautes Gluten nicht zurückhalten kann, reagiert der Körper gegen diese Weizenproteine mit einer Antikörperbildung. Durch die hierdurch provozierte Immunreaktion gegen Gluten kommt es zu Kollateralschäden. Die Antikörper passen dann auch auf Zellen des Kleinhirns und auch Schilddrüsengewebe. Dadurch kann es zu Ataxien, also Bewegungsund Koordinationsstörungen und auch Schilddrüsenerkrankungen kommen. Lässt man Weizen bzw. Gluten weg, klingen die Beschwerden ab.

Neurologische Beschwerden durch Gluten

r&z: Gluten kann solche Auswirkungen auf das Kleinhirn haben?

K.-D. R.: Grundsätzlich – jetzt kommt was ganz Wichtiges – sollten alle unklaren neurologischen Beschwerden daraufhin untersucht werden, ob eine Glutenoder Weizen-Unverträglichkeit vorliegt. Eine Arbeitsgruppe aus England hat MRT (Magnetfeldresonanztomographie)Aufnahmen gemacht von Patienten mit chronischen Kopfschmerzen. Jene Patienten mit einer Glutenunverträglichkeit zeigten im MRT deutliche Verschattungen (Veränderungen im Gehirngewebe) als Folge einer Immunreaktion gegen Gluten.

Multiple Sklerose durch Milch

r&z: Warum bekommt der eine Mensch Multiple Sklerose und der andere Mensch Morbus Bechterew?

K.-D. R.: Hier spielen sicherlich die Gene mit eine Rolle, die darüber entscheiden, wo jemand seine Empfindlichkeiten hat. Bei Multipler Sklerose muss dringend auf eine Milchunverträglichkeit geachtet werden. Hier ist es nämlich so, dass die gleichen Antikörper, die der Körper gegen Milchproteine, zum Beispiel Milchbutyrophilin produziert, auch auf die Myelinschicht (Schutzschicht der Nerven) passen, die bei Multipler Sklerose abgebaut wird. Wenn eine solche Milchunverträglichkeit vorliegt, und diese Antikörper die Bluthirnschranke überwinden, kann sich innerhalb von ein bis drei Jahren Multiple Sklerose entwickeln. Man nennt diese Antikörper daher predictive antibodies. Kann man sie im Blut nachweisen, ergeben sich hieraus therapeutische Ansätze, um die Entstehung der Multiplen Sklerose zu verhindern bzw. die Entstehung hinauszuzögern.

r&z: Dann sollte jeder MS-Patient einen Test auf Milchunverträglichkeit machen?

K.-D. R.: Ja, das halte ich für sinnvoll. Es gibt ein spezielles Untersuchungsprogramm für neurologische Erkrankungen. Ein wichtiger Aspekt ist die Überprüfung der Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke, die ja eine Grenzfläche zwischen Gehirn und Umwelt darstellt. Die Natur hat das ja so eingerichtet, dass nicht alles, was im Körper bzw. im Blutkreislauf herumschwirrt, mit dem Gehirn in Kontakt kommt. Wenn Sie aber Antikörper gebildet haben, die die Hirnschranke angreifen, dann haben Sie das Tor geöffnet und es kann sozusagen Müll (Chemikalien, Antikörper etc.) in das Gehirn bzw. das Nervengewebe eindringen. Und dann passiert das Gleiche wie ich vorhin bei Hashimoto und Arthritis ausgeführt habe. Es gibt Entzündungen im Gehirn. Wenn ich die Ursachen kenne und die Auslöser weggelassen werden, kann sich das Geschehen beruhigen. Tausende Stoffe, die belasten können.

r&z: Welche Erreger fallen Ihnen am häufigsten im Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen auf?

K.-D. R.: Klebsiellenund Citrobakter stämme machen eine Menge Ärger, dann auch agressive Escherichia coli-, Proteus-Stämme und Fusobakterien – um nur einige zu nennen.

r&z: Wie sieht es mit dem Epstein-Barr-Virus aus, von dem auch immer wieder behauptet wird, dass er häufig Auslöser einer Autoimmunerkrankung ist?

K.-D. R.: Epstein-Barr wird auch in meinem Stuhldiagnostik-Programm überprüft – da untersuchen wir nicht nur Bakterien, Parasiten und Würmer, sondern auch Viren. Wenn ich mir die ganzen Stuhlproben ansehe, kommt Epstein-Barr wenig vor.

r&z: Und auf welche Toxine stoßen Sie am häufigsten? K.-D. R.: Wir machen regelmäßig Haarmineralanalysen. Arsen wird häufig nachgewiesen, Blei, Antimon, Quecksilber. Aber eine wirklich hohe Quecksilber-Belastung wird seltener nachgewiesen, weil die Menschen weniger Amalgam im Mund haben. Ein kritisches Element ist Aluminium, es kann als Ursache für ein Leaky Gut in Betracht kommen und wird verdächtigt, über spezielle Immunprozesse zur Entwicklung von Alzheimer beizutragen.

r&z: Wie sieht es mit Impfstoffen aus? Können Sie solche Zusammenhänge überhaupt feststellen?
K.-D. R.: Das machen wir in unserer Praxis weniger, hier sind die Universitäten gefragt. Aber es ist bereits bekannt, dass Autoimmunprozesse durch Impfungen ausgelöst werden können. Ich bin kein Impfgegner, aber man kann solche Zusammenhänge nicht ausschließen und was Covid-19 anbelangt sowieso nicht. Selbst die Politik gibt zu, daß gerade ein großes Experiment stattfindet.

r&z: Welche Rolle spielen Nanopartikel, die ja jetzt immer mehr im Umlauf sind über Kosmetika, Kleidung und hormonähnliche Substanzen aus Kunststoffen?

K.-D. R.: Richtig, die Partikel, die Sie ansprechen, die sehe ich auch als ganz großes Problem. Diese können durch die Zellmembranen in das Zellinnere eindringen. Diese Doppelmembranen bestehen aus fettlöslichen und wasserfreundlichen Bestandteilen. Wenn eine Membran ständig mit aggressiven Substanzen wie Nanopartikeln oder Chemikalien attackiert wird, kann es zu einer Lipidperoxidation kommen, das heißt quasi, die Zelle wird ranzig. Wenn diese Stoffe in den Zellinnenraum gehen, können sie einen richtig großen Schaden zum Beispiel in den Mitochondrien (Zellkraftwerke) anrichten und zu einem Energieverlust in allen Zellen des Körpers führen und somit chronische Beschwerden auslösen.

r&z: Worin sehen Sie die Ursache dafür, dass Autoimmunerkrankungen in den letzten Jahren zugenommen haben?

K.-D. R.: In der gesamten Umweltbelastung. Es gibt tausende chemischer Substanzen, die auf uns einwirken. Glyphosat zum Beispiel hat heutzutage jeder im Urin. Da man natürlich nicht alle Umweltgifte messen kann, konzentrieren wir uns auf einige ausgewählte Substanzen. Neben den bereits genannten Schwermetallen untersuchen wir Gifte, die Hormoncharakter haben, also unser Hormonsystem stören können. Man nennt sie Hormon-Disruptoren. Hierzu gehören Weichmacher im Plastik wie Bisphenol A (BPA) oder Phthalate. Patienten können die Untersuchung selbst veranlassen. Man benötigt für die Analyse nur einen kleinen Papierstreifen, den man in eine Urinprobe eintaucht, trocknen lässt und uns dann per Post zusenden kann.

Therapieren und Vorbeugen

r&z: Können Sie zusammenfassen, was Sie als Therapie und Prävention empfehlen?

K.-D. R.: Therapeutisch empfehle ich zu entgiften, den Darm in Ordnung bringen und das Entzündungsgeschehen vermindern. Dieses erreichen wir mit einer guten orthomolekularen Medizin und Phytotherapie. Die orthomolekulare Medizin zielt darauf ab, das Energiepotenzial in allen Zellen zu verbessern, hierdurch kann man besser entgiften und das Entzündungsgeschehen wird abgemildert. Meine Patienten bekommen täglich per Infusion hochdosiertes Vitamin C, zwei Gramm Glutathion, B-Vitamine und Carnitin.
Wichtig ist auch, Unverträglichkeiten zu überprüfen. Meine Patienten werden immer individuell untersucht damit sie wissen: „Was macht mein Körper mit dem Fremdstoff Nahrung?“ Wenn der Körper immunologisch auf Lebensmittel reagiert, kann es sein, dass ein wunderbares biologisches Lebensmittel für mich sozusagen toxisch ist. Dieses muss dann eine Zeit lang gemieden werden, bis sich das Immunsystem wieder beruhigt hat. Präventiv rate ich jedem, alle zwei, drei Monate mal eine 14-tägige Darmkur zu machen mit guten probiotischen Darmbakterien und Akazienfaserpulver. Was da draußen gerade passiert durch die Landwirtschaft, passiert auch bei uns im Bauch. So wie sich die Artenvielfalt in Flora und Fauna reduziert, ist sie auch im Darm weniger geworden. Und je weniger Artenvielfalt wir im Darm haben, desto anfälliger sind wir für Autoimmunerkrankungen, Entzündungen und neurologische Erkrankungen.

r&z: Und warum haben wir eine reduzierte Artenvielfalt im Darm?

K.-D. R.: Die moderne Lebensweise belastet bzw. zerstört die Darmflora. Durch Gifte (Lösungsmittel, Pestizide, Antibiotika etc.), die wir täglich mit der Nahrung und der Luft aufnehmen und durch die vielen Zusatzstoffe in den Lebensmitteln ändert sich das Darmmilieu. Die meisten Leute essen ja konserviertes Zeug. Auch in Restaurants werden viele Konservierungsstoffe verwendet. Und Konservierungsmittel sind Mittel, die das Bakterienwachstum hemmen. Chemische Substanzen und auch Stress vermindert das sekretorische Immunglobulin A (s-IgA), wodurch die Immunität eingeschränkt wird und eine Darmdurchlässigkeit verursacht wird. Hierdurch läuft dann das ganze Programm ab, wie wir es gerade besprochen haben. Darum sage ich meinen Patienten: „Nehmt ab und zu Darmbakterien, die die Artenvielfalt wieder aufbauen, nehmt Nährstoffe, die die Darmbarriere unterstützen. Dazu auch Fette – Fette sind Schutzstoffe der Membran – Fischöle, Vitamin E, Lecithin, Buttersäure.“ Der japanische Forscher Takashi hat festgestellt, dass Multiple Sklerose Patienten zu wenig Buttersäure im Darm haben. Ein Grund hierfür ist der verminderte Verzehr von Ballaststtoffen.

Buttersäure wichtig für Multiple Sklerose-Patienten

r&z: Was bedeutet das, dass diese Patienten zu wenig Buttersäure haben?

K.-D. R.: Buttersäure ist eine kurzkettige Fettsäure und entsteht, bei der Verdauung pflanzlicher Kost. Voraussetzung ist, dass der Darm genügend freundliche Bakterien besitzt (Probiotika). Diese Bakterien zerlegen die Zellulose in der pflanzlichen Kost in kurzkettige Fettsäuren. Und da ist die Buttersäure an erster Stelle zu nennen. Sie ist sozusagen das Benzin für meine Darmzellen, das heißt der Zellstoffwechsel wird normalisiert, Entzündungen klingen ab und die Darmbarriere wird wieder hergestellt. Darüber hinaus bremst Buttersäure überschießende Immunreaktionen, indem die T-Regulatorzellen reduziert werden. Hierdurch wir ein allergisches Geschehen gebremst. Ein Mangel an Buttersäure wird verdächtigt, das Risiko Multiple Sklerose oder andere Autoimmunkrankheiten zu entwickeln, beziehungsweise zu erhöhen.

r&z: Abschließend die Frage: Sollten umweltmedizinische Hintergründe in unserer Medizin nicht verstärkt berücksichtigt werden?

K.-D. R.: Ja, diese Zusammenhänge werden immer wichtiger. Krankheiten und deren Ursachen bzw. Triggerfaktoren ändern sich wie sich auch unsere Umwelt ständig ändert. Deswegen sollten Ärzte viel mehr Zeit für die Behandlung von chronisch kranken Patienten bekommen. In einer Fünf-Minuten-Sprechstunde können die komplizierten Aspekte, die wir gerade im Hinblick auf Autoimmunkrankheiten besprochen haben, nicht hinreichend mit dem Patienten besprochen und untersucht werden.

www.ifu-wolfhagen.de
www.umweltmedizin.org